Morten Strauch
· 01.02.2023
Schwere Dinge sicher stauen, Wichtiges auffindbar lagern, Chaos vermeiden: Das richtige Stauen kann entscheidend für den Erfolg eines Törns sein. Wir geben Tipps für mehr Ordnung an Bord
In diesem Artikel:
Der Wind frischt auf, der Rudergänger denkt laut über das erste Reff nach, und schon drückt eine Bö das Schiff ordentlich auf die Backe. Aus dem Salon kracht und scheppert es unheilvoll, Gedanken an den Laptop, die Kamera oder den teuren Whiskey schießen der Crew durch den Kopf. Natürlich muss auch gleich gewendet werden, sodass alles erneut durch den Salon fliegt. Wird der Kopf das erste Mal durch das Luk gesteckt und das Ausmaß der Verwüstung deutlich, folgt einem ausgedehnten Fluch das Verlangen, den Niedergang schnell blickdicht zu verschließen. Aber wo ist eigentlich das Steckschott geblieben?
So dürften es wohl die meisten Segler schon mal erlebt haben. Was zu Hause an Land als kreative Unordnung durchgehen kann und im schlimmsten Fall für Spannungen in der Familie sorgt, ist auf See ein absolutes No-Go. Ordnung an Bord hilft nicht nur Chaos und Bruch zu vermeiden, sondern ist elementarer Bestandteil der Sicherheit von Schiff und Crew. Je kleiner das Boot, desto schwieriger scheint es, Proviant, Ausrüstung und Werkzeug so zu stauen, dass alles zum einen seefest und zum anderen gut erreichbar ist.
Das fängt beim Nutella-Glas an, das sich bei Seegang womöglich in eine splitternde Schoko-Bombe verwandelt, und hört bei der Akku-Flex auf, mit der im Notfall das Rigg gekappt werden kann und die jederzeit zugänglich sein sollte. Hier gilt es, intelligente Lösungen zu finden, um jede Staumöglichkeit optimal zu nutzen. Doch auch auf großen Serienyachten, die aufgrund ihrer voluminösen Rümpfe unendlich viel Stauraum bieten, fehlt es mitunter an Detaillösungen, um beispielsweise Backskisten und Schapps effizient nutzen zu können.
Ordnung beginnt mit dem Aussortieren von Dingen, die entweder ausgedient, sich als nutzlos entpuppt haben oder die man auf dem geplanten Törn nicht braucht. So spricht zum Beispiel nichts dagegen, das SUP-Board an Land zu lassen, wenn es niemand nutzen will. Aber auch überflüssiges Geschirr, doppelte Schreibutensilien oder Uraltleinen können getrost an Land bleiben. Und wenn die Genua die letzten zwei Jahre nicht ausgepackt wurde, weil die Selbstwendefock viel bequemer zu händeln ist, dann benötigt man sie vielleicht auch nicht auf dem aktuellen Törn. Es lohnt sich zudem, in den Tiefen der Backskisten nach überflüssigem oder schlichtweg vergessenem Material zu suchen. Rostiges Werkzeug, die Schäkelsammlung vom alten Schiff, Mastlegestützen oder Pfandkisten nehmen nicht nur Platz weg, sondern sind ungenutzter Ballast, der sogar die Seetüchtigkeit des Schiffes beeinträchtigen kann.
Ein strukturierter Stauplan ist Grundvoraussetzung für gute Seemannschaft” (Leon Schulz)
Ist das Boot erst einmal entrümpelt, empfiehlt es sich, selbst alle nützlichen Gegenstände einmal auszuräumen, um sie anschließend mit System wieder zu verstauen. Verschließbare Plastikboxen eignen sich dabei hervorragend, um nicht nur Lebensmittel, sondern auch Krams jeglicher Couleur zu sortieren, vor Feuchtigkeit zu schützen und sicher aufzubewahren. Segelprofis wie RYA-Ausbilder Leon Schulz und Schwerwetter-Trainer Constantin Claviez schwören auf einen peinlichst genau ausgearbeiteten Stauplan, der, in Folie eingeschweißt, für die gesamte Crew zugänglich ist. So weiß jeder, wo die Zutaten für die nächste Mahlzeit, aber auch der Ersatzschäkel oder Ersatzteile für die Winschen zu finden sind. Und gerade, wenn das Wetter umschlägt und jeder Handgriff sitzen soll, kann die Crew dann schnell und in professioneller Manier arbeiten.
Auf Offshore-Racern fehlt es konstruktionsbedingt an Schränken und Schapps. Hier wird so gut wie alles in Säcke und Taschen gestopft, die dann verkeilt oder in Lücken gedrückt werden. Zur Performance-Steigerung werden die Stausäcke zudem gern in Luv gelagert. Doch auch auf Fahrtenbooten lassen sich einige Kniffe der Regatta-Profis anwenden. Offshore-Profi Tim Kröger empfiehlt, generell die ISAF Safety Rules als Rahmen für jede seegängige Yacht anzuwenden. Bei sich ankündigendem Schwerwetter sollten alle schweren Ausrüstungsgegenstände in der Schiffsmitte festgelascht werden. Da auf Cruising-Booten oft Fixpunkte fehlen, lässt sich der meist sehr stabile Salontisch nutzen, um Taschen oder auch ein loses Ankergeschirr festzuzurren.
Jedes Crewmitglied hat einen Haken, an dem Ölzeug und Rettungsweste hängen” (Tim Kröger)
Auch für Tim Kröger gehören Ordnung und die Disziplin, diese auch von der ganzen Crew während der gesamten Fahrt einzuhalten, zum Pflichtprogramm, da es auf See jederzeit zu einer Notsituation kommen kann. Sein Tipp: „An der Griffleiste der Salondecke für jedes Crewmitglied einen Haken montieren, an dem Ölzeug und Rettungsweste hängen. Fehlt diese Leiste, kann auch mit einer alten Segellatte improvisiert werden. Mit diesem System ist gewährleistet, dass sich die Crew jederzeit schnell umziehen kann, ohne sich durch Taschen und Schränke wühlen zu müssen.“
Doch auch an Deck gilt es, Ordnung zu halten und schwere Gegenstände sorgsam festzuzurren. Dingi und Rettungsfloß sollten immer gut gesichert sein, ebenso wie das Ankergeschirr am Bug. RYA-Ausbilder Leon Schulz empfiehlt zudem, dass die Luke zum Ankerkasten verschließbar ist, sodass sie bei starkem Seegang und Schräglage nicht aufgehen kann und im schlimmsten Fall die gesamte Ankerkette aus dem Bug herausfällt. Solche Unfälle hat es tatsächlich schon gegeben, und nicht nur auf hoher See, sondern auch in Küstennähe infolge eines Sonnenschusses.
Im systematischen Stauplan von Leon Schulz finden sich auch Spezialgebiete wie die Bordapotheke oder der Grab-Bag für die Rettungsinsel. Hier werden zudem die Verfallsdaten jeder Batterie und jedes Medikamentes eingetragen, sodass der Austausch zum Saisonbeginn einfach vonstatten geht. Nach dem gleichen Prinzip lässt sich natürlich auch der Proviant dokumentieren und entsprechend aufbrauchen. Leon Schulz’ Tipp für die zu kühlenden Lebensmittel: „Im Kühlschrank bewähren sich verschiebbare Körbe und Vakuum-Schachteln, die sich für die bessere Langlebigkeit mit einer kleinen Handpumpe aussaugen lassen und stapelbar sind. Denn auch im Kühlschrank soll nicht alles durcheinanderfallen, nur weil das Schiff sich bewegt!“
Wenn es im Schapp trotz aller Ordnung zum Klappern kommt, erweisen sich Kissen, Toilettenrollen und Handtücher als äußerst hilfreich, um Ruhe ins Schiff zu bekommen. Wenn die Stauhöhe es erlaubt, können auch einige Weinflaschen auf dem Kopf verstaut werden, die dann wie Keile die stehenden Flaschen festklemmen. Constantin Claviez, der regelmäßig Schwerwetter-Trainings auf der Nordsee anbietet, setzt auf wasserdichte Packsäcke, die sich im Volumen an den Bedarf jedes Crewmitgliedes anpassen lassen, um Textilien vor Feuchtigkeit zu schützen. Diese können als Lückenfüller genutzt werden, um das Verrutschen von Gegenständen in Schapps zu verhindern. Auf seinem Ausbildungsschiff, der „Charisma“, hat Claviez zudem die Schiebetüren aus Sicherheitsglas zum Sichern des Geschirrs und die Schubladen nachträglich so modifiziert, dass sie auch bei schwerstem Seegang nicht aufspringen können.
Der Koffer mit der Akku-Flex, um im Notfall das Rigg zu kappen, ist jederzeit griffbereit” (Constantin Claviez)
Darüber hinaus gibt es Stauräume, die ausschließlich für Ersatzteile und Werkzeuge eingerichtet sind, wie zum Beispiel für den Koffer mit der Akku-Flex, falls im Notfall das stehende Gut durchtrennt werden muss. Die Halterungen für die Werkzeugkoffer wurden maßgeschneidert und gesichert und sind leicht zugänglich. „Das Thema seefestes Verstauen beginnt bei uns jeweils im Winterlager, wenn wir die gemachten Erfahrungen Revue passieren lassen und die logischen Zuordnungen auf der Yacht überdenken.“
Ein aufgeräumter Arbeitsplatz schafft nicht nur Ordnung, sondern auch Sicherheit. Schoten und Fallen, die überall im Cockpit herumfliegen, stellen eine Rutsch- und Stolpergefahr dar. Zudem sind vertörnte Leinen programmiert und landen auch schnell im Wasser beziehungsweise im Propeller. Mit Tauwerkhalterungen lassen sich die Festmacher gut verstauen und auch besser trocknen. Eine weitere Lösung sind Taschen, in denen beispielsweise auch Handschuhe gesichert werden können. Für Gennakerschoten oder Reffleinen bietet sich die Reling an, um diese aufgeschossen aufzuhängen
Schwere Ausrüstung wie Dingi oder Rettungsinsel muss stets gut gesichert sein. Der Tender wird entweder vor dem Mast kieloben auf das Deck gelascht oder am Heck festgemacht. Spanngurte sind dabei ein bewährtes Hilfsmittel, um schweres Gut sturmfest festzuzurren. Davits versprechen die eleganteste Lösung, da Sicht und Badeleiter nicht versperrt werden. Aber an den Lenzstopfen denken, sonst läuft es voll
Wenn Werkzeugkoffer und Ersatzteillager nebeneinander verstaut anstatt übereinander gestapelt werden, kann auf jede Box einzeln zugegriffen werden. Zusätzlich wasserfest beschriftet, wird die Suche nach dem gewünschten Bordmittel für jedes Crewmitglied zum Kinderspiel. Dieses Stauprinzip funktioniert natürlich auch gut unter der Salonbank oder der Doppelkoje
Fender, die achtlos in den Salon geworfen werden, sind eine Zumutung für die Crew unter Deck, da sie nicht nur sperrig sind, sondern auch eine Stolperfalle darstellen. In den oft tiefen Backskisten oder der Segellast sind sie schnell außer Reichweite und nur mit Kopfüber- oder Klettermanövern zu erreichen. Dasselbe gilt für Festmacherleinen. Hier bieten sich einfache Leinenhalter an, um Taue sowie Fenderleinen immer griffbereit zu halten und nebenbei den Zugriff auf das restliche Staugut nicht zu behindern
Backskisten bieten viel Platz für Ausrüstung jeglicher Art. Ohne eine Grundordnung ist das gesuchte Stück oft schwer zu finden. Abhilfe bieten Unterteilungen und Plastikboxen, die sich im Setzkastenprinzip aufteilen lassen. Zusätzlich können Teile auch in Beuteln oder Netzen aufgehängt werden.
Nur wenige Werften sehen einen festen Lagerort für Steckschotten vor. Ein umherfliegendes Schott hinterlässt jedoch fiese Blessuren an Schiff und Crew. Um den Niedergang vor Regen und überkommendem Wasser schützen zu können, sollte es trotzdem immer griffbereit sein. Eine saubere Lösung ist eine Halterung, die von innen an ein Schott in der Backskiste geschraubt wird
Zugegeben, im ersten Moment mögen die vielen Plastikdosen nicht gerade dem Bild der Seefahrerromantik entsprechen. Wenn es aber um strukturiertes Verstauen an Bord geht, gibt es nichts Besseres. Sie sind leicht, wasserdicht und halten eine Ewigkeit. Dazu sind sie auch einfach seefest zu lagern
Die Akkus können sich im schlagenden Schiff in sehr gefährliche Geschosse verwandeln. Auch wenn sie aufgrund ihres Gewichts festsitzend und somit sicher wirken, sollten sie immer mit einem Spanngurt gesichert sein. Wenn die Batterien erst einmal in Bewegung kommen, ist Holland in Not!
Ein gutes Seglermesser ist des Seglers Freund. Nicht selten gibt es eine ganze Sammlung an Bord. Und doch passiert es immer wieder, dass es in dem Moment, in dem es gebraucht wird, nicht zur Hand ist. Warum also nicht ein Messer strategisch so platzieren, dass es immer sichtbar und gut erreichbar ist?
Für lange Törns mit hungriger Crew lässt sich das Stauangebot für Lebensmittel mit gespannten Hängenetzen ohne große Umbaumaßnahmen erweitern. Ein weiterer Vorteil der abhängenden Aufbewahrung: Man kann dabei zugucken, wie die Vorräte schrumpfen, und rechtzeitig nachbunkern
Bei Mangel an Stauraum können nicht nur müde Crewmitglieder mit Hilfe von Leesegeln sicher auf den Salonbänken schlafen. Auch Seesäcke, Kissen oder die Fototasche finden bei Krängung einen seefesten und leicht zugänglichen Platz
Nichts ist ekelhafter, als wenn die Zahnbürste hinter der Toilette oder sogar darin landet. Wer sich die Zeit nimmt, eine individuelle Halterung für die kleinen Pflegebürsten anzubauen, hat immer gut und vor allem ein sauberes Lachen
Eine gut sortierte wie auch dokumentierte Bordapotheke erweist sich als Segen im Notfall. Für noch mehr Ordnung und schnelleren Zugriff sorgen durchsichtige Plastiktaschen, in denen die Medikamente nach ihrem Einsatzzweck kategorisiert sind
Ein Musterbeispiel einer seefest ausgestatteten Pantry, mit der sich selbst die Schwiegereltern beeindrucken lassen: Der Herd ist kardanisch aufgehängt, während Teekessel, Gewürze und scharfe Messer einzeln und von der Arbeitsplatte getrennt gesichert sind. Haltbare Lebensmittel sind in unverrutschbaren Boxen gelagert, die zusätzlich von Schiebetüren aus Sicherheitsglas geschützt werden. Wenn nur der Abwasch nicht wäre!
Topfdeckel scheppern nicht nur, als hätten sie ein Eigenleben, sie tendieren auch dazu, sich in die hintersten Winkel der Schapps in der Pantry zu verkriechen, die ohnehin nur mit Greifhilfen zu erreichen sind. Mit einfachen Deckelhaltern an der Innenseite der Tür oder an der Wand kommen Ruhe und Ordnung ins Schapp
Damit auch die gekühlten Leckereien bei Seegang nicht wild durcheinander purzeln, kommen hier Körbe und gut stapelbare Plastikboxen zum Einsatz. Bei Vakuum-Einheiten lässt sich zudem mit einer kleinen Handpumpe die Luft heraussaugen, was die Langlebigkeit der Lebensmittel deutlich erhöhen kann
Dieses Stausystem, welches auch von einer Schiebetür aus Sicherheitsglas geschützt wird, lässt sich exakt auf die Bedürfnisse der Eigner anpassen. Geschirr, Schalen, Kochtöpfe und Gläser werden perfekt durch kleine Holzstangen und -klötze sowie von einem Schienensystem in ihren Positionen gehalten